Wissenswertes zu unserem Brauchtum

Hier möchten wir Euch die Hintergründe der schwäbisch-allemanischen Fastnacht 

näherbringen. 
Hier bekommt Ihr alle Informationen darüber. Wir wünschen Euch viel Spass beim
durchlesen.

 

Schwäbisch-alemannische Fastnacht

Als schwäbisch-alemannische Fastnacht wird die Fastnacht im südwestdeutschen Raum und Teilen der Nordost- und Zentralschweiz bezeichnet. Dort wird sie in der Regel Fasnet, Fasnacht oder Fasent genannt. Sie grenzt sich vom rheinischen Karneval ab, kann sich jedoch erst seit dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts als eigenständige Form etablieren. Während der Karneval im 18. Jahrhundert eine neue Form der Fastnacht entwickelte, und auch die schwäbisch-alemannische Fastnachtslandschaft darauf einschwenkte, besann sie sich im 20. Jahrhundert auf ihre Traditionen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fastnacht.
Charakteristisch ist die Vermummung der Teilnehmer mit Larven oder auch Schemmen (Masken), die meist aus Holz, in Ausnahmefällen aber auch aus Stoff, Papier, Ton, Blech oder Draht (sog. Drahtgaze) bestehen. Die Kostümträger (in schwäbisch-alemannischen Gebieten Narrenhästräger) wechseln ihre Verkleidung (Häs) nicht von Jahr zu Jahr, sondern behalten sie immer bei. In manchen Gegenden ist es sogar üblich, sie über Generationen zu vererben.

Geschichte

Ursprünge in Mittelalter und Früher Neuzeit 
Wie der rheinische Karneval hat auch die schwäbisch-alemannische Fastnacht ihren Ursprung in Festen, die dazu dienten, verderbliche Lebensmittel vor Beginn der Fastenzeit aufzubrauchen. Derartige Veranstaltungen sind für ganz Mitteleuropa spätestens im 13. Jahrhundert nachgewiesen. Allerdings waren diese nicht mit der heutigen Fastnacht zu vergleichen und regional höchst unterschiedlich.

Narren barocker und italienischer Prägung: Wolfacher Schellen- und Röslehansel
Ergänzend zum exzessiven Nahrungsmittelkonsum wurden ab dem 14. Jahrhundert Bräuche wie Tänze, Umzüge oder Fastnachtsspiele üblich. Auch hier spielten Speisen zunächst eine zentrale Rolle, beispielsweise in den Schembartläufen, den Fastnachtsumzügen der Nürnberger Zünfte, die vor allem im ausgehenden 15. und dem beginnenden 16. Jahrhundert Konjunktur hatten. Auch sind Metzgertänze aus anderen Städten belegt, an denen sich die tanzenden Metzger an Wurstringen zum Reinigen festhielten.
Nach einer Theorie des Münchener Volkskundlers Dietz-Rüdiger Moser wurde der Gegensatz zwischen dem fastnachtlichen Vergnügen und dem Entbehrungsreichtum der Fastenzeit zunehmend aber auch theologisch gedeutet. In Zusammenhang mit den augustinischen Lehren vom Zwei-Staaten-Modell gebracht, wurde die Fastnacht schon bald mit dem Teufelsstaat „civitas diaboli“ gleichgesetzt, die Fastenzeit hingegen mit dem Gottesstaat „civitas Dei“. Aus dieser Denkweise heraus könnten sich Teufel oder Dämonen als frühe Fastnachtsfiguren entwickelt haben. Eine weitere zentrale Figur der damaligen Fastnacht, der Narr, wurde als Inbegriff von Vergänglichkeit, Gottesferne und Tod gesehen. Während die Forschung noch bis in die 1980er-Jahre davon ausging, dass die Fastnacht einen nicht-christlichen Ursprung hat, ist sie sich heute einig, dass die Existenz der Kirche notwendige Bedingung zur Entstehung der Fastnacht war. Sicher ist auch, dass in der Fastnacht häufig Kritik an Obrigkeit und Kirche geübt wurde, was nicht selten zu Fastnachtsverboten führte.
Mit der Reformation entfiel in den reformierten Gebieten nicht nur die Fastenzeit; sie machte auch dem Fastnachtsfest in vielen Teilen Mitteleuropas ein Ende. Allerdings erhielt sich der Brauch in einigen protestantischen Ortschaften noch für einige Zeit. Der Basler Fasnacht wird oft unterstellt, ihren Fastnachtstermin aufgrund der Reformation später zu feiern (sog. Bauernfastnacht), als die übrigen schwäbisch-alemannischen Orte. Dies beruht jedoch auf einem Beschluss der Kirche im 11. Jahrhundert, in der Fastenzeit die Sonntage nicht als Fastentage zu zählen. Somit verschob sich der Aschermittwoch um sechs Tage in Richtung Jahresbeginn. Die Basler (und manch anderer Ort) indessen hielten an diesem alten Termin fest.
Bislang war das Bild der Fastnacht von relativ einfachen Verkleidungen geprägt. Mit dem Aufkommen des Barock kam es im 17. Jahrhundert zu einer wesentlichen Aufwertung und Verfeinerung der Fastnachtsgestalten. Das gilt insbesondere für die verwendeten Masken, die nun statt wie bisher aus Ton oder Papier aus Holz geschnitzt wurden. Hinzu kam ein deutlicher italienischer Einfluss, fußend auf der Commedia dell'Arte.


Entwicklung zur heutigen Fastnacht

Anfang des 20. Jahrhunderts begannen sich die Narrenzünfte in Narrenvereinigungen zu organisieren und 1924 wurde die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) gegründet. Notwendig machten diesen überregionalen Dachverband die unsichere politische Lage sowie zahlreiche Fastnachtsverbote. Nun wollte man die Interessen der Narren gegenüber der Politik offensiv vertreten. Außerdem sah man sich der Pflege und Bewahrung des eigenen Brauchtums verpflichtet, was heute sicherlich die Hauptaufgabe der Vereinigung darstellt. In der Zeit nach ihrer Gründung erhielt die VSAN derart großen Zuspruch, dass schon bald ein Aufnahmestopp für Neumitglieder ausgesprochen werden musste. Bis heute nimmt die VSAN nur äußerst selten neue Mitglieder auf, wobei sie als Aufnahmebegründung insbesondere ein historisches Brauchtum zu Grunde legt. So kam es schon bald zur Gründung neuer Dachverbände wie dem Verband Oberrheinischer Narrenzünfte (1937) oder der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee (1959). Diese Gründungswelle hält auch in unseren Tagen noch an. Grund dafür ist nicht zuletzt die Einführung sogenannter Narrentreffen. Bis ins 20. Jahrhundert war Fastnacht eine rein lokale Angelegenheit gewesen und man feierte ausschließlich im eigenen Wohnort. Die VSAN und ihre Schwesterorganisationen ermöglichten es den Narren nun, sich auch untereinander außerhalb der angestammten Ortschaft zu begegnen. 1928 fand das erste Narrentreffen in Freiburg statt. Heute hat ihre Zahl und Dimension derart zugenommen, dass die Narrentreffen inzwischen schon als Gefahr für die traditionelle, ortsgebundene Fastnacht angesehen werden müssen. So gibt es inzwischen Zünfte, die nur noch Narrentreffen besuchen und keinerlei Ortsverwurzelung mehr kennen. Insbesondere die VSAN hat sich daher entschlossen, Treffen dieser Art stark einzuschränken. Der wachsenden Beliebtheit der Narrentreffen tut dies noch keinen Abbruch.
Parallel zur organisatorischen Neustrukturierung der Narrenzünfte wurden seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Fastnachtsfiguren neu gestaltet. Nur in wenigen Fastnachten waren tatsächlich historische Narrenhäser erhalten, die auch im neuen Jahrhundert fast unverändert getragen werden konnten. Viel häufiger waren einzelne Larven- oder Hästeile vorhanden, die sich zwar nicht mehr ohne weiteres zuordnen ließen, nun aber in neuen Figuren kombiniert wurden. Häufig kam es aber auch zur völligen Neuentwicklung von Hästrägergruppen. 1933 gründete sich in Offenburg eine Hexenzunft, die auf einer Mischung aus Märchen- und mittelalterlicher Hexe beruhte, und machte die Fastnachtshexe zu einer populären Figur der schwäbisch-alemannische Fastnacht. Es gab allerdings schon viel früher Fastnachtshexen, so in Tirol bereits seit dem 18. Jahrhundert. Auch die alte Vettel war in der Fastnacht nicht unbekannt, so zogen sich nicht selten seit dem Mittelalter Männer Frauenkleider an, um frei nach dem Motto „Verkehrte Welt“ an Fastnacht ihr Unwesen zu treiben. Neu war jedoch die Hexe mit Holzmaske, als eigenständige Figur. Ohne Beispiel ist seitdem die Zahl ihrer Nachahmer. Der wachsende Wohlstand sorgte in der Nachkriegszeit für ein rasches Anwachsen der Narrenzünfte, die nun auch immer häufiger in Orten neu gegründet wurden, die bisher keine Fastnachtstradition kannten. Seit Beginn der 1990er-Jahre herrscht ein regelrechter Boom dieser Neugründungen. So gibt es im schwäbisch-alemannischen Raum inzwischen selbst in kleinsten Orten eigenständige Fastnachten. Keine Fastnachtsfigur profitierte hiervon mehr als die Hexe. Ihre Beliebtheit sorgt deshalb seit langem für Kopfzerbrechen bei den Verantwortlichen der Brauchtumsorganisationen, sehen sie doch durch sie die traditionelle Fastnacht ähnlich gefährdet wie durch das Überhandnehmen der Narrentreffen. Doch auch die alteingesessenen Narrenzünfte profitierten in der Nachkriegszeit in hohem Maß vom wachsenden Interesse an ihrem Brauchtum und rasant steigenden Mitgliederzahlen. Besonders die seit Beginn der 1990er-Jahre durchgeführte Fernsehübertragung der Narrentreffen der VSAN erreicht ein Millionenpublikum. Ein Ende des Wachstums ist aber abzusehen.

Figuren der schwäbisch-alemannischen Fastnacht 

Die Narrenfigur Fastnetsbutzerössle der Plätzlerzunft Plätzlerzunft Altdorf-Weingarten zeigt das beliebte „Treibermotiv“.
Die Zahl schwäbisch-alemannischer Fastnachtsfiguren ist inzwischen unüberschaubar groß. Meist treten sie während der Veranstaltungen in nach Figurentypen getrennten, homogenen Gruppen auf. Vereinzelt gibt es aber auch Hästrägergruppen, die sich aus unterschiedlichen Figurenarten zusammensetzen. Meist agieren diese dann untereinander. Sehr beliebt ist dabei das Treibermotiv, bei dem eine Tiergestalt von mehreren, mit Peitschen ausgestatteten Hästrägern gezüchtigt wird. Beispiele hierfür sind das Fastnetsbutzerössle aus Weingarten, das Brieler Rößle aus Rottweil oder Werners Esel aus Bad Waldsee. In vielen Gegenden finden sich außerdem Einzelfiguren, die oft eine zentrale Rolle in der Fastnacht des jeweiligen Ortes spielen. Vielfach entstanden aus ihnen im Laufe der Zeit ganze Figurenfamilien, deren Mitglieder über unterschiedliche Charaktereigenschaften und Aufgaben verfügen, so beispielsweise die Gole in Riedlingen.
Auch wenn in den letzten Jahrzehnten viele neue Häsarten entstanden sind, lassen sich fast alle bestimmten Typen zuordnen. Auch jüngere Zünfte orientieren sich meist an diesem in der Nachkriegszeit entwickelten Muster, auch wenn die folgende Einordnung nicht zu eng gesehen werden darf.

Narrenrufe 

Die Narrenrufe der schwäbisch-alemannischen Fastnacht sind jüngeren Datums und analog zu den traditionellen Schlachtrufen (Alaaf, Helau, Ahoi,…) der Karnevalsmetropolen entstanden. Traditionell grüßen die Narren mit einem Juchzen (Jauchzen), was sie als spontanen Ausdruck der Freude verlauten lassen und was sich schriftlich etwa als „Ju-Hu-Hu-Hu“ dokumentieren ließe. In Rottweil unter anderem hat sich diese ursprüngliche Art des Narrenrufs erhalten (Hu-Hu-Hu). Anderswo sind individuelle Rufe entstanden, die innerhalb der organisierten Fasnacht seit dem Zweiten Weltkrieg bisweilen sogar zum Identifikationsmerkmal geworden sind. Der bekannteste Ruf der schwäbisch-alemannischen Fasnet, den sich Maskierte und Zivilisten zurufen, ist „Narri-Narro“.
Die Narrenrufe sind sehr individuell und unterscheiden sich von Ort zu Ort und von Zunft zu Zunft.

Die Dorauszunft aus Bad Saulgau trägt ihren Narrenruf im Namen und – in Sütterlinschrift – auf dem Häs
Fastnachtssprüche [Bearbeiten]
Neben dem Juchzen, den Narren- oder Schlachtrufen, gibt es auch Narren- und Fastnachtssprüche, die – auch in Reimform – aufgesagt und gerufen werden. Sie können wiederum Teile von Narrenrufen enthalten oder sein. Oftmals sind im Laufe der Zeit die Narrenrufe, die wahrscheinlich örtlich begrenzt waren, ortsspezifisch verändert worden. Oft sind diese Sprüchle auch Spottverse.
Beispiele sind:
„Narro, siebe Sih (Söhne),
siebe Sih sin Narro gsi“
(zum Beispiel Konstanz, Rottweil, Villingen)

„Narro kugelrund,
d'Stadtleit sind scho älle g'sund“
(Rottweil)

„Oh jerom, oh jerom,
dia Fasnet hät a Loch“
(Fasnetsdienstag Nachmittag zum Beispiel in Oberndorf oder Rottweil)

„Hoorig, hoorig, hoorig isch die Katz
Und wenn die Katz nit hoorig isch,
doo fängt se au kei Ratz.“
(zum Beispiel in Meßkirch, Oberuhldingen, Meersburg, Tettnang, aber auch in vielen anderen Orten des schwäbisch-alemannischen Raumes)

„S'guckt e Arsch zum Fenschder naus,
ma meint des isch e Weck,
es isch kei Weck, es isch kein Weck,
es isch der Arsch vum Schlegele-Beck.“

(Der Name des Bäckers wird meist nach einer Persönlichkeit des Ortes benannt. In anderen Varianten beginnt der Spruch mit „Drunte in de …straß, da wohnt der …-Beck“) (zum Beispiel Radolfzell)
Einige Narrensprüche gehen auf so genannte Heischebräuche, fordernde Bräuche, zurück.
Im Laufe ihrer Entwicklung waren die Narren der schwäbisch-alemannischen Fastnacht heischende (fordernde) Figuren, die von ihrem Gegenüber Gaben verlangten. Einerseits für den Selbstzweck, entstand daraus aber auch sehr bald eine karitative, soziale Funktion der Narren. Überbleibsel dieser Art sind beispielsweise im Rottweiler Bettelnarr überliefert, der Almosen für Arme oder Kranke im Spital sammelte.